Podcasts auf dem Weg zur Massenrelevanz

Podcasts ​und Radio

Von Masse und Nische: Welche Parallelen von Podcasts und Streamingdiensten gibt es, ist und was unterscheidet einen Podcast von klassischem Radio? Eine Einordnung und Übersicht über Vor- und Nachteile des neuen Mediums. 

Podcasts sind (jederzeit) online abrufbare Audiodateien, die entweder über eine Internetverbindung direkt genutzt oder für die spätere Nutzung aus dem Internet heruntergeladen werden. Bei der ersten Nutzungsart spricht man von Streaming, bei der zweiten von Download. Nutzer*innen können ihre Lieblings-Podcasts abonnieren, so dass neue Folgen automatisch im Feed auftauchen. 

Die Parallele zu Geschäftsmodellen von Videostreaming-Diensten wie Netflix, Joyn, Prime Video oder Disney+ liegt auf der Hand, war aber gerade zu Beginn des Podcastens in Deutschland keinesfalls offensichtlich. Nach wie vor ist der Vergleich mit Videostreaming-Diensten kritisch zu betrachten, da sich beispielsweise aus ökonomischer Perspektive bei Podcasts bisher noch kein Bezahlmodell marktübergreifend durchgesetzt hat: Podcasts sind – mit einigen Ausnahmen – weitestgehend kostenlos erhältlich.

Podcasts und Radio sind sich einerseits sehr ähnlich: In beiden Medien wird gesprochen, sie funktionieren ohne Bilder und es geht im weitesten Sinne um das Berichten oder Erzählen von Geschichten. Andererseits greift dieser Vergleich zu kurz: Podcasts und Radio sind zwar beides Medien aus dem Bereich Audio, in ihren Eigenschaften unterscheiden sie sich jedoch stark.

    Podcasts haben eine durchschnittliche Dauer von mindestens 30 Minuten und funktionieren rein wortbezogen. Radio läuft hingegen durchgehend und die Wortbeiträge beschränken sich – je nach Ausrichtung des Senders – oft auf maximal eineinhalb Minuten.

    Radio ist in den meisten Fällen ein Medium, das mehr oder weniger passiv genutzt wird. Die Bezeichnung „Nebenbei-Medium“ wird der Gesamtbedeutung des Radios allerdings nicht gerecht, denn bei einem guten Programm bekommt Radio jede Menge Aufmerksamkeit. Dennoch ist Radio ein lean back-Medium. Podcasts dagegen sind lean forward-Medien: Nutzer*innen lassen sich nur selten davon überraschen, was kommt, sondern entscheiden sich bewusst für ein Angebot, das sie aus einer Vielzahl an Optionen gezielt auswählen.

    Radiosender sind in erster Linie Massenmedien. Sie zielen darauf ab, in einer bestimmten Zielgruppe eine möglichst große Hörerschaft zu erreichen. Am deutlichsten wird das bei kommerziellen Rundfunkveranstaltern, deren einzige Einnahmequelle direkt an die Reichweite des Programms gekoppelt ist. Auch öffentlich-rechtliche Programme sind auf eine möglichst große Hörerschaft ausgerichtet, selbst wenn es sich um Spartenprogramme handelt. Podcasts dagegen sind in der Regel für engere Zielgruppen gemacht. Der vielleicht treffendste Vergleich ist der mit Fachzeitschriften: Ein Magazin für Hobbyköche ist vor allem innerhalb einer Gruppe von Menschen, die gerne kochen, relevant. Alle anderen Menschen sind für die Herausgeber des Magazins, vereinfacht gesprochen, egal. Mit Podcasts verhält es sich genauso: Ob absichtlich oder nicht, jeder Podcast spricht eine mehr oder weniger große Nische von
    Hörer*innen an.
Die Kenntnisse und Fähigkeiten, die es braucht, um einen Podcast zu erstellen, sind verwandt, aber nicht identisch mit denjenigen, die es braucht, um eine Radiosendung zu erstellen. Eine hörfunkjournalistische Ausbildung kann von großem Nutzen sein, wenn es etwa darum geht, Interviews zu führen oder Podcasts umzusetzen, die ähnlich wie Hörfunk-Features angelegt sind. Auch beim Umgang mit der Technik haben Radioleute einen Vorsprung. Dennoch drängen nur wenige Podcasts, insbesondere aus kommerziellen Radiosendern heraus, in den Markt. Das mag zum einen mit geringen personellen und zeitlichen Ressourcen zu tun haben, zum anderen mit einer anderen strategischen Einschätzung des Themas Podcast bei den Eigentümern mancher privater Hörfunkprogrammanbieter.

Lange Zeit galt ein Podcast in vielen Radiosendern als „Resterampe“ für nicht verbrauchtes Audiomaterial. Zum Beispiel wurden Interviews, die im Programm nur zu einem Bruchteil gesendet wurden, oft als Ganzes in einem Podcast im Netz zur Verfügung gestellt. Dabei wurde auf eine Bearbeitung teils verzichtet, sodass die Langform keinesfalls immer attraktiv zum Anhören war. Den Aufwand, auch die Langform eines Interviews zu bearbeiten und letztlich vielleicht sogar im Hörfunk- Programm zu bewerben, gehen Radiosender, wenn überhaupt, erst ein, seit Podcasts in der breiteren Masse der Bevölkerung angekommen sind – und dabei gilt es immer noch, verschiedene Punkte abzuwägen, wie die SWOT-Grafik zeigt:
SWOT
Die meisten privaten Hörfunkanbieter haben entschieden, das Thema Podcast nicht unternehmerisch zu verfolgen. Investitionen in Personal oder Ressourcen finden nur in Ausnahmefällen statt. Kleinere Lokalsender stoßen bisweilen an ihre Kapazitätsgrenzen, wenn sie neben der Gestaltung des täglichen UKW-Programms auch Podcasts anbieten sollen. Eine aktive Investition in das Thema Podcast ist seitens kommerzieller Hörfunkveranstalter (oder ihrer Gesellschafter) jedenfalls kaum festzustellen. Gerade in der Verwandtschaft von Podcast und Radio – wenngleich sie unterschiedliche Skillsets erfordern und verschiedene Nutzungssituationen  bedienen – liegen jedoch unternehmerische Chancen. 

Marktentwicklung seit 2018/2019

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