Fernsehen über IP

Ein Massenmedium wird individuell

Der audiovisuelle Rundfunk war kommunikationstechnisch eine Einbahnstraße, in der ein Signal an viele Empfänger*innen gesendet wurde (Multicast), ohne dass diese die Möglichkeit besaßen, über den gleichen Weg Informationen an den Sender zu schicken. Die einzige Auswahlmöglichkeit bestand im Umschalten des Programms. Die Entscheidung für eine Sendung war jedoch immer auch eine Entscheidung gegen alle anderen, die zeitgleich liefen.

Durch den IP-Rückkanal ändert sich das. Die Empfänger*innen entscheiden nicht nur, welchen Inhalt sie sehen möchten, sondern auch wann und auf welchem Empfangsgerät (Unicast). Das Streaming durchbricht die Linearität des klassischen Fernsehens. Einst passive Zuschauer*innen (lean back) werden zu Nutzer*innen (lean forward). Neue Funktionen und Angebotsformen verändern den TV-Konsum:

Video on Demand

Audiovisuelle Inhalte stehen auf Abruf bereit und werden erst bei Auswahl durch den Nutzer gestreamt. Das schließt sowohl die Mediatheken der TV-Sender als auch Anbieter mit ein, die Nutzer*innen eine aggregierte Auswahl an Inhalten zur Verfügung stellen.

Cloud PVR

Aufnahmen werden nicht auf einem an das Empfangsgerät angeschlossenen oder in das Gerät integriertem Speichermedium, sondern auf dem Server eines entsprechenden Cloud-PVR-Anbieters gespeichert.

Timeshift

Nutzer*innen können das laufende Programm stoppen und es zu einem späteren Zeitpunkt an der Stelle fortsetzen, an der sie es zuvor angehalten haben. Diese Funktion war bereits mit Festplattenrecordern möglich, die dafür das gestoppte Programm temporär aufzeichneten.

Restart

Eine bereits begonnene Sendung wird durch die Nutzer*innen noch einmal neu gestartet.

Replay

Diese Funktion erlaubt den Zugriff auf das gesamte Programm eines oder mehrerer TV-Sender aus den vergangenen Tagen oder Wochen.

Recommendation

Das TV-Verhalten der Nutzer*innen wird dokumentiert und analysiert, um ihnen auf Basis ihrer Sehgewohnheiten passende Inhalte zu empfehlen.

Adressable TV

Die Informationen über das TV-Verhalten dienen nicht nur dazu, den Nutzer*innen passende Inhalte zu empfehlen, sondern auch dazu, personalisierte Werbung an sie zu adressieren.

Red Button

Beim Addressable TV wird häufig für weitere Informationen auf den Red Button, die rote Farbtaste auf der Fernbedienung, verwiesen. Mit dieser Taste lassen sich Zusatzfunktionen zum laufenden Programm aufrufen. Die TV-Sender bieten zum Beispiel über den Red Button den Zugang zur eigenen Mediathek an. Hier kommt der HbbTV-Standard zum Einsatz.    
„In Deutschland wird es noch auf Jahre hinaus lineares Fernsehen geben.“
Marc Marienfeld
CEO Kinetic Worldwide Germany GmbH bei den MEDIENTAGEN MÜNCHEN 2019
Die non-lineare Verfügbarkeit audiovisueller Inhalte scheint jedoch kein Substitut für das klassisch-lineare Fernsehen zu sein. Seine Nutzung bleibt nach wie vor auf hohem Niveau, wenngleich ein leichter Abwärtstrend in den vergangenen Jahren zu erkennen ist. Dennoch bildet sich vielmehr eine Koexistenz linearer und non-linearer Video-Angebote heraus.

Neues Storytelling: Interview mit Bettina Reitz und Ulrich Limmer

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